Montag, 1. August 2016

Frieden schaffen - Dharma-Vortrag in Tschechien am 23. Juli 2016 (Thay Phap Nhat)


Gestern Abend haben mich einige Freunde aus Deutschland angerufen und haben mir von dem Terroranschlag in einem Münchener Einkaufszentrum berichtet. Die Energie der Wut und die Energie der Angst verbreiten sich überall. 8 Menschen wurden bei dem Anschlag getötet, 10 Menschen wurden verletzt, und einige verstecken sich immer noch in dem Einkaufszentrum, weil sie zu viel Angst haben, um herauszukommen. Nach dem Anschlag hat die Polizei der Bevölkerung empfohlen, die Häuser nicht zu verlassen, und der öffentliche Nahverkehr wurde zum Stillstand gebracht. Die Polizei hat ein Sondereinsatzkommando nach München geschickt. Wir wissen alle, dass dies bereits der dritte Terroranschlag innerhalb von 8 Tagen in Westeuropa war. Vor einer Woche war ich in Frankreich. Wie ihr wisst, war am 14. Juli, dem Nationalfeiertag in Frankreich, ein Terroranschlag in Nizza. 84 Menschen starben. 82 Menschen schwebten in Lebensgefahr. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt. Viele Menschen, die den Anschlag gesehen haben, werden von den Bildern, die sie gesehen haben, innerlich verfolgt. Sie haben gesehen, wie die Menschen unter dem Lastwagen zerdrückt wurden, sodass ihre Gesichter nicht mehr zu erkennen waren. Wenn um uns herum vielen Menschen sind, die Angst und Hass in sich haben, die keine friedvolle Energie haben, was können wir dann tun? Heute haben wir die Gelegenheit, hier zusammenzukommen und zu meditieren, sodass wir friedvolle Energie produzieren können. Auf diese Weise tragen wir zum Frieden in der Welt bei. Unser Beitrag ist unsichtbar, aber er existiert dennoch. Wir generieren die Energie des Friedens, um einen Ausgleich zu schaffen zu der Energie des Unfriedens, die in der Welt zur Zeit existiert.


Liebe Freunde, ich bin sehr froh heute mit euch hier zu sein. Heute werden wir lernen, Sitzmeditation zu praktizieren, Gehmeditation zu praktizieren und achtsam zu essen, sodass wir gemeinsam eine kollektive Energie des Friedens aufbauen können. Eines ist sicher: Wir können nicht den Hass benutzen, um den Hass zu zerstören. Wir müssen unsere Liebe benutzen, den Frieden in unserem Bewusstsein, um Hass und Gewalt zu transformieren. Ich weiß, dass einige von euch leiden. Ihr wünscht euch, dass dieser ganze Planet Erde ein friedvoller Planet wird, dass alle Menschen, alle Lebewesen glücklich und friedvoll leben können. Aber die Gewalt, der Hass und die Angst sind immer noch überall in der Welt anzutreffen. Bevor ich weiter über dieses Thema spreche, möchte ich euch gerne eine Geschichte erzählen.

Es war einmal ein König, der sein Volk aufrichtig liebte. Auf der Erdoberfläche gab es viele Dornen und scharfe Steine, sodass die Menschen sich oft die Füße verletzt haben. Da er sein Volk sehr liebte, lud der König alle weisen Männer des Landes zu sich ein, um sie um Rat zu fragen. Viele der weisen Männer waren sich einig. Sie hatten eine Idee, die dem König gut gefiel: Man könnte die ganze Erde mit einem Teppich auslegen, sodass niemand sich mehr an den spitzen Gegenständen auf der Erdoberfläche verletzen würde. Diese Idee ist wirklich interessant, aber es scheint unmöglich zu sein, sie in die Tat umzusetzen. Wir alle haben die gleiche Idee. Wir wollen, dass der ganze Planet Erde mit der Energie des Friedens bedeckt wird. Das ist wirklich eine gute Idee, aber es scheint unmöglich zu sein. Es ist sogar schwierig, einen einzigen Tag auf der ganzen Erde komplett friedvoll zu verleben. Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit. Fahren wir mit unserer Geschichte fort. Es gab noch einen anderen weisen Mann, der dem König einen Ratschlag gegeben hat. Diesen Ratschlag konnten der König und sein Volk tatsächlich verwirklichen. Sein Ratschlag ist sehr einfach: Jeder Mensch erhält ein paar Schuhe, sodass er auf der Erde gehen kann, ohne sich zu verletzen.

Liebe Freunde, heute kommen wir zusammen, um gemeinsam zu praktizieren. Auf diese Weise machen wir uns selbst ein paar neue Schuhe: die spirituellen Schuhe. Diese spirituellen Schuhe werden uns vor Gewalt, Hass und Unfrieden beschützen. Unsere Seele wird nicht verletzt sein, wenn wir die Gewalt und den Terror in der Welt beobachten. Liebe, Toleranz und Vergebung werden sich in unserem Herzen entwickeln.

Einmal wurde ich in einem Seminar gefragt, wann und wo die beste Zeit und der beste Ort für die Meditation sind. Was ich geantwortet habe, hat viele Leute überrascht. Ich habe gesagt, dass die beste Zeit der frühe Morgen ist, und der beste Ort ist unser Bett. Die Meditation, die wir zu dieser Zeit praktizieren, ist die Lächel-Meditation. Das erste, was ihr am Morgen tun solltet, wenn ihr aufwacht, ist, die Lächel-Meditation zu praktizieren. Warum lächeln wir, wenn wir morgens aufwachen? Wir lächeln, weil wir 24 nagelneue Stunden vor uns haben. Wir haben 24 neue Stunden, aber wir wissen nicht, wie wir sie nutzen können. Stellt euch vor, dass jede Stunde ein weißes Blatt Papier ist. Wir haben also 24 neue Blätter Papier. Wir sind diejenigen, die das Recht haben, auf dieses Papier etwas Neues zu schreiben, etwas, das uns glücklich macht. Doch wir tun das nicht. Wenn wir aufwachen, beginnen wir oft sofort damit, alte Dinge wieder aufzuschreiben. Wir schreiben auf das Papier unsere Traurigkeit, unser Leiden, das gestern passiert ist und bereits der Vergangenheit angehört. Ich kennen Leute, die morgens aufwachen und feststellen müssen, dass ihr Kissen nass ist, weil sie die ganze Nacht geweint haben. Wenn sie aufwachen, kommt ihr Leiden wieder hoch, und sie weinen von Neuem. Von heute an müssen wir üben, auf unser Papier neue Dinge zu schreiben, Dinge, die uns glückliche machen. Wir sind wirklich eine glückliche Person, weil wir viele Bedingungen für das Glücks haben. Oft vergessen wir diese Bedingungen, bis etwas passiert, was uns wieder daran erinnert, z. B. wenn wir ein Problem mit unseren Augen haben. Dann erinnert uns dieses Problem daran, dass es ein großes Glück ist, zwei funktionierende Augen zu haben.

Ich möchte noch eine weitere Geschichte erzählen. Sie handelt von einem blinden Jungen, der am Rande eines viel besuchten Platzes sitzt und bettelt. Neben ihm liegt ein Stück Pappe, auf dem steht: „Ich bin blind. Bitte helfen Sie mir.“ Er sitzt dort für eine lange Zeit, viele Leute gehen vorbei, aber nur wenige Leute helfen ihm. Plötzlich hört er den Klang der Schritte eines Mannes, der zu ihm kommt und vor ihm niederkniet. Er nimmt das Schild, dreht es um und schreibt etwas auf die Rückseite. Danach geht der Mann wieder davon. Es geschieht ein Wunder: In den nächsten fünf Minuten bleiben viele Menschen bei dem Jungen stehen und legen Geld in seine Schachtel. Nach kurzer Zeit ist die Schachtel voll. Am Abend, als er gerade wieder nach Hause gehen wird, hört der Junge wieder die Schritte der gleichen Person, die zuvor auf das Schild geschrieben hat. Da der Junge nicht sehen kann, ist sein Gehör sehr gut entwickelt, sodass er die Schritte sofort wiedererkennt. Der Junge fragt den Mann, was er auf das Schild geschrieben hat. Der Mann antwortet: „Heute ist ein schöner Tag, aber ich kann es nicht sehen.“

Heute ist ein schöner Tag, und wir alle könne die Schönheit des Lebens genießen. Wir leben im Paradies der Farben. Wir alle haben Augen, die sehen können. Aber manchmal vergessen wir dieses Glück, wir vergessen, dass unsere Augen noch gut sehen können. Wenn ihr einen blinden Menschen seht und ihn fragt, was er sich im Leben am meisten wünscht, dann wird seine Antwort sein: „Ich möchte das Gesicht meiner Eltern sehen, die Menschen, die mir dieses Leben geschenkt haben. Das wäre mein größtes Glück.“ Wir können den blauen Himmel sehen, die weißen Wolken und die gelben Blumen. Dies ist ein großes Glück. Aber weil wir nicht genügend Energie der Achtsamkeit haben, vergessen wir diese Bedingung des Glücks. Wir haben viele Bedingungen des Glücks, die uns hier und Jetzt glücklich machen können. Unsere Ohren hören noch, unser Herz schlägt noch, unsere Lungen atmen noch, unsere geliebten Menschen sind noch für uns da... Wenn wir unsere Bedingungen für das Glück entdecken, generieren wir dabei auch die Energie des Friedens. Wenn wir friedvoll sind, macht uns das wiederum glücklich. Wenn ein einzelner Mensch friedvoll und glücklich ist, dann wird auch seine Familie Frieden und Glück haben. Wenn alle Familien Frieden und Glück haben, dann wird die Gesellschaft glücklich und friedvoll sein. So werden wir auch eine friedliche und glückliche Welt haben. Es ist also wichtig, dies zu erkennen: Eine friedliche Welt beginnt mit dem Frieden eines jeden Einzelnen. Und diese Einzelnen sind wir. Ich wünsche mir, dass ihr euch daran erinnert: Selbst wenn ihr viel leidet, vergesst nicht, dass die Vögel draußen singen. Das Wunder des Lebens ist immer verfügbar. Wir kommen einfach zurück zu uns selbst, und dann können wir diese wundervollen Dinge erkennen. Der Frieden der Welt hängt von dem Frieden in euch ab, genau in diesem Moment, im Hier und Jetzt.

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